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Nachrichten > Kultur und Bildung

Ein fulminantes Konzert


(Foto: Hubert Richter)

(bro) (khm) J. S. Bachs Weihnachtsoratorium nach den Evangelisten Lucas und Matthäus, Kantaten I, IV und VI, BWV 248 (1734/35), fand am vergangenen Sonntag in der Kirche St. Johannes Nepomuk unter der Leitung von Bezirkskantor Severin Zöhrer statt. Ausführende waren die Katholische Kantorei, der Auswahlchor des Gymnasiums, namhafte Gesangssolisten und Mitglieder des SWR-Orchesters und des Württembergischen Staatsorchesters Stuttgart.

Nicht leicht ist eine Entscheidung über die Aufführungsweise der sechs Kantaten des Werkes, die man heute weniger als bloße “Anthologie-Blütenlese Bachscher Musik zu sechs Kantaten“ und schon gar nicht mehr als “eilig aus Parodiekantaten zusammengesetztes Flickwerk“ betrachtet, dafür aber als sechsteiliges, auf “inhaltlicher Geschlossenheit“ (A. Dürr, 1985, I, S. 68) beruhendes Oratorium erkannt hat und schätzt. So auch der Freiburger Musikwissenschaftler Prof. M. Walter am vorausgehenden Mittwoch in seiner für Eberbach schon traditionellen, unterhaltsam sachkundigen Einführung. Von ihm stammt sicher auch die gehaltvolle Betrachtung zu den drei Kantaten im Programmheft, die dort - wohl aus Versehen - unbenannt geblieben sind. Eine Aufführung jedenfalls, wie sie Bach geübt, welche die Kantaten auf sechs Gottesdienste (die drei Weihnachtsfeiertage, den Neujahrstag, den folgenden Sonntag und das Erscheinungsfest am 6. Januar) hin verteilt, ist aus vielerlei Gründen heute kaum machbar. Eine Darbietung an einem Abend aber müsste zwangsläufig zu Kürzungen und Streichungen führen, zu denen die Autorität Albert Schweitzers (1942, S. 679) auch noch ermutigen könnte: “Zum Zwecke kirchlicher Volksaufführungen kann man … getrost auch nahezu alle Arien streichen, ohne dass dabei ein Torso entstünde, vielmehr kommt auf diese Weise die Handlung desto schöner und klarer heraus." Dem Hörer aber schönste Musik vorzuenthalten, wäre indes auch nicht zu verantworten, weshalb Schweitzer beschwichtigt, dass er die Arien nicht gering schätze, sondern er nur kleinere Vereine, die das Oratorium nicht aufzuführen wagten wegen Unerschwinglichkeit der Solisten, darauf hinweise, “dass das Werk auch ohne die großen Solonummern wirkt“. Bleiben also doch nur die Torso-Aufführungen, meist zu drei ausgewählten Kantaten - gern den bevorzugten I-III und unter Vernachlässigung von Kantaten IV-VI, die indes 2008 in Eberbach an gleicher Stelle zu hören waren. Eben hier gab es jetzt eine Aufführung mit den Teilen I, IV und VI, wobei Kantor Zöhrer sich vielleicht an die Werkgliederung in Philipp Spittas Bach-Werk von 1880 (Bd. II, S. 413) gehalten haben könnte, indem von den dort angenommenen drei Kantatenabschnitten (“Weihnachtsgeschichte“ I-III; “Beschneidung und Namenstag Jesu“ IV und “Drei Könige“ V-VI) jeweils eine ausgewählt war, also I, IV und VI. Somit war eher eine Art Komprimierung des Werks auf die Grundaussagen “Ankunft des Erlöserkönigs“ (I), christliche Hoffnung auf Ende des Todesschreckens“ (IV) und “Sieg des Erlöserkönigs“ (VI): bewirkt. Dass man damit auch die klangprächtigen Kantaten I und VI in frohem D-Dur mit den trompetenüberglänzten Eingangschören sowie den konzertanten Schlusschoral (VI) auswählte, in deren Mitte die weniger dramatische, eher zurückhaltende IV. Kantate (in F-Dur) stand, dürfte diese Dreierauswahl zusätzlich als sehr ’publikumswirksam’ empfohlen haben.

Angesichts der Vielzahl von Chören, Arien, und Chorälen (Kirchenliedern), die das Gerüst des Oratoriums füllen, das wiederum auf der rezitativischen Erzählung der biblischen Weihnachtsgeschichte durch einen Evangelisten beruht, wird man hier nur Einiges ansprechen.

Im Eingangschor zur ersten Kantate “Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage!“, wofür einmal die Worte “Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!“ in Bachs eigener weltlichen Vorlage, einer Glückwunschkantate für das sächsische Fürstenhaus, gestanden hatten, die wegen des besseren musikalischen Nachzeichnens dieser Textworte gelegentlich auch gesungen werden (Berlin 2011, s. FAZ. 4.11.2011, S.30), enttäuschten die versierten Orchestermusiker aus Stuttgart die Erwartung nicht, dass man volltönende Trompeten hören werde, dazu prunkende Pauken und rauschende Streicherskalen, die geradezu symbolhaft wie aus dem Wolkenhimmel herab stürzende, Dunkelheit vertreibende Lichtstrahlen wirkten (G. Jena). Der Chor seinerseits meisterte bei aller Orchesterwucht seinen Part auch bei den im Mittelabschnitt häufigen Koloraturen und Fugierungen beifallswürdig. Eine Binnendifferenzierung durch ruhigeres Singen der kunstvoll imitierenden Koloraturen hob diese trompetenlose Mitte etwas von den viel Effekt zeigenden Eckteilen ab. All dies zeigte, was ein nicht-professioneller Chor unter Leitung seines engagierten Dirigenten und durch offenkundig intensive Probenarbeit leisten kann. Einmal mehr bewiesen Chor und Trompeter ihre Fähigkeiten in den imponierenden Chören zu Anfang und Schluss der sechsten Kantate, wo Bach zuerst eine anspruchsvolle Chorfuge mit glanzvoll virtuosem Trompetenkonzert verbindet und dann im Schlusschor die Solotrompete brillant ihre schnellen Figuren in fast zu atemberaubendem Prestissimo vollführte. Die Chorsänger zeichnete viel fugiertes und imitierendes Singen aus, das kaum ein “homophones Ausruhen“ erlaubte.

Die Arie “Bereite dich, Zion, mit zärtlichen Trieben“ ist eines der 17 Stücke von 64 im Werk, das man Par-odie nennt, d. h. hier hat Bach geschickt einem neuen Text die Melodie einer älteren Komposition beigelegt, unterlegt (gr. pará - bei, neben; gr. óde – Lied, Gesang). Die Arie drückt die Erwartung des Heilands wie ein Liebeslied stimmungsvoll aus. Sie wurde beschwingt von der Altistin Veronika Golling gesungen und anmutig von der Oboe abgerundet. Sie stellte ein erstes Glanzstück unter den klangvollen, die Evangelientexte betrachtenden Arien dar. Ein grandioses Beispiel der effektvollen Arie bot dann das “Großer Herr und starker König“, vom Bassisten Georg Gädker stolz und kraftvoll gesungen und von der Solotrompete virtuos umspielt. Bei ihr drückte die häufige, kraftvoll ausgeführte synkopische Versetzung von Bass- und Trompetenstimme gegenüber der Begleitung geradezu symbolhaft das bezwingend Herrschaftliche aus. Gädker agierte auch als “König Herodes (6. K.), wobei er das heuchlerisch Höhnische seiner Worte “…dass ich auch komme und es anbete“ eindrucksvoll hören ließ. Die vierte Kantate (Jesu Namengebung) gibt sich bescheidener mit Einleitungschor ohne helle Trompeten, dafür sonoren Hörnern und weitgehend ohne fugiertes Singen, aber mit wunderschönen Koloraturen (Erlöser, Heiland), was den Dirigenten zu einem ruhigen Klangverlauf anregte, der sich von den anderen mehr auf den Effekt ausgehenden Chören gut abhob. Doch gibt es hier auch die “Echo-Arie“ und die “Fugenarie“, von Prof. Walter auch Adler-Arie genannt wegen ihrer Vorlage, einer Arie aus einer weltliche Kantate BWV 213 mit dem Text “Auf meinen Flügeln sollst du (sc. Hercules) schweben … wie ein Adler“. Die Echo-Arie ist früher als ein “weltlicher Ausrutscher“, eine verwunderliche barocke “Spielerei“ des sonst so “ernsten und gedankenvollen Meisters“ (Spitta, II, S. 417) hingestellt worden, die musikalisch zur Vorlage, aber nicht in diesen religiösen Zusammenhang passe. Sein will die Arie dem Zeitgeist nach wohl eine Art Dialog der gläubigen Seele (Sopranstimme von Christine Köberlein) mit dem kurz antwortenden Jesuskind (Echo-Sopranstimme von Magdalena Plagge, Eberbach), der den Todesschrecken verneint und die Erlösungsfreude bejaht. Die Arie, eingefügt in eine kunstvolle, aber exakt sich hier zusammenfügende Mischung von gesanglichem Arioso und rezitativischer Betrachtung, zeigte exaktes Dialogisieren und sehr gefällig das zart mit forte-piano-Wechsel abgestufte Antworten der Solo-Oboe und das in der Klangfarbe verschiedene Erwidern des getrennt stehenden Echo-Soprans. In der Fugenarie trat der konzertante Vortrag des vorpreschenden Fugensatzes in den Vordergrund. Die Arie entwickelte sich dabei zu einer prachtvollen Vierer-Fuge für die beiden Violinisten und die Continuo-Gruppe (Cello, Contrabass), deren staunenswerte Virtuosität - wie auch die der so klangvoll musizierenden Oboistin z. B in der Echo-Arie - nur nicht so wahrnehmbar wird wie die der Trompeten, und nicht zuletzt für den Tenor Christian Georg, der zudem als Evangelist immer wieder arios, rezitativ und dramatisierend gleichermaßen geschickt agierte zusammen mit der Continuo-Gruppe, die über die ganze Aufführung hinweg das sichere Fundament lieferte.

Unter den Chorälen dürfte neben “Ach mein herzliebes Jesulein“ (I) und “Ich steh’ an deiner Krippen hier“ (VI) wohl der Adventschoral (Kantate I) “Wie soll ich dich empfangen“ besonders interessiert haben, da er die Melodie des Passionslieds “0 Haupt voll Blut und Wunden“ von Paul Gerhardt (1656) nutzt. Die Hörer des Jahres 1734 werden zwar mit der Melodie nicht unbedingt Passionsgedanken verbunden haben (A. Dürr I, S.134; M. Boyd 1984, S. 228). Auch gehörte die damals oft verwendete Melodie Hans Leo Haßlers (um 1600) ursprünglich zu einem Liebeslied: “Mein g‘müth ist mir verwirret, das macht ein jungfrau zart“. Seit der Verwendung in der Matthäus-Passion (1729) in bangem d-moll ist sie aber so auf das Leiden Christi fixiert, dass ein unbefangenes Hören eigentlich nicht möglich ist. Der Adventschoral wird daher heute oft so empfunden und gedeutet, wie wenn er doppelbödig ausdrückte, die Freude über Jesu Menschwerdung sei schon von trauernder Ahnung seines Opfertods umschattet (K. Geiringer 1985, S.189). In Zöhrers Interpretation wurde der die Ankunft Christi erwartungsvoll feiernde Choral schwer, langsam, expressiv und den a-moll-Charakter auskostend zelebriert, d. h. wohl in der genannten Doppelbödigkeit aufgefasst. Da der Schlusschor der Kantate VI “Nun seid ihr wohl gerochen (gerächt)“ die haßlersche Melodie (nun in D-Dur) ebenfalls verwendet und sie bravourös von der virtuosen Trompete effektvoll umspielt und unterbrochen wird, wäre dann dieser Triumphalismus der Ausdruck siegreicher Erlösungsfreude über die niederdrückende Passionstrauer gewesen, die das Adventslied empfindungsmäßig schon durchwirkt hätte. Solchen heutigen Eindruck dürften Bachs Weihnachtskantaten auch in unserer Zeit nachhaltig vermitteln. Denn diese, einst gedacht als Predigtergänzung in Tönen zu den damaligen, nunmehr vergessenen Kanzelpredigten, haben sich weit wirkmächtiger erwiesen als jene, denn “sie sprechen direkt zu den Sinnen“ und “erreichen bis heute immer noch die Ohren aller“(E. Büning, FAZ 15.12.2007, S. 38).

Am Schluss gab es einen verdienten, begeisterten, nicht enden wollenden Beifall für ein musikalisches Erleben, bei dem Freude und Zuversicht, die von Werk und Botschaft ausgehen, sich allgemein vermittelt haben dürften.

21.12.15

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