29.03.2024

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Friedlicher und unblutiger Ausgang war das größte Wunder


(Fotos:Schell)

(mts) Das ehemalige Mitglied des Politbüros der SED, Günter Schabowski, besuchte am 10. Dezember das Hohenstaufen-Gymnasium (HSG) in Eberbach. Dort referierte der 78-Jährige vor Schülern der Geschichtsneigungskurse des HSG und des Gymnasiums Neckargemünd sowie vielen weiteren Interessierten über den Untergang der DDR im Jahre 1989/90.

Kommunist wurde er 1945, so erzählte Günter Schabowski in seiner Einführung, da er von den Kommunisten der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die "einzigsten vernünftigen Antworten" bekam auf alle seine Fragen nach den Ursachen und Verlauf des Zweiten Weltkrieges. Mittlerweile hat er der sozialistischen Ideologie abgeschworen.

Schabowski begann seine "Karriere" bei einer Gewerkschaftszeitung und stieg 1978 zum Chefredakteur des SED-Zentralorgans "Neues Deutschland" auf. Dies geschah, wie viele Dinge zu dieser Zeit, nur in Übereinstimmung mit der Sowjetunion. Daraus erkenne man, so Schabowski, dass die UdSSR auf die DDR immer einen sehr großen Einfluss hatte und der "Arbeiter- und Bauernstaat" von vielen als Verfügungsmasse der Sowjets angesehen wurde. Durch seine absolut linientreue Arbeit wurde Schabowski dann im Jahre 1985 Mitglied des Politbüros der SED. Das Politbüro war das zentrale Machtorgan in der DDR-Diktatur. Zuvor war er auch 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED in Ost-Berlin geworden. Zusammen mit Egon Krenz stürzte er wenig später Erich Honecker im Oktober 1989.

Am Abend des 9. Novembers 1989 verkündete Schabowski in seiner berühmten Pressekonferenz, die im DDR-Fernsehen und in den westlichen Medien live ausgestrahlt wurde, dass alle DDR-Bürger uneingeschränkt reisen konnten, was ungewollt zur raschen Maueröffnung und dem schließlichen Mauerfall führte. Dies geschah nach seinen Angaben jedoch nur aus Unwissenheit, da er den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes als "sofort" angegeben habe, anstatt wie von der SED geplant, im Laufe der nächsten Monate das Reisegesetz mit einigen Hürden einzuführen. Da die Bürger diese Meldung kaum fassen konnten, versammelten sich Tausende an den Grenzübergängen und wurden trotz gegenteiliger Befehle der DDR-Führung über die Grenze gelassen. "Das größte Wunder an diesem Abend", sagte Schabowski deshalb, "war nicht die Maueröffnung an sich, sondern, dass alles so friedlich und unblutig ausgegangen ist". Damals befürchtete er, dass alles in einer blutigen Katastrophe enden würde. Auch betonte er, dass nicht er die Mauer geöffnet habe, "sondern die Menschen auf den Straßen". Nach der Wiedervereinigung wurde Schabowski wegen der Schüsse an der Berliner Mauer zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Als einziger der damaligen Politbüromitglieder zeigte er schon nach 1989 Reue und Schuldgefühle für seine Tätigkeit in der menschenverachtenden SED-Diktatur.

Der mitreißende Vortrag wurde vom Geschichtslehrer des Neigungskurses Geschichte der 12. Klasse, Dr. Christian Jung, organisiert, der zugleich auch als Moderator fungierte. Schulleiter Helmut Schultz dankte am Ende der gelungenen Veranstaltung dem Referenten für seine offenen und selbstkritischen Äußerungen zur DDR-Geschichte und den Schülerinnen und Schülern für die zahlreichen kritischen Fragen.

15.12.07

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